Beobachtet

9.9.2007 von maria

Berliner

Bild: Heinrich Zille

Auf meinen Spaziergängen durch die Stadt begegnen mir häufig Menschen, die mich ob ihrer kleinen Besonderheiten zum Lachen bringen. Einige davon habe ich hier portraitiert.

Der Möchtegern-Cubano aus der Eckkneipe: Mit dickem Bauch, über dem sich eine riesige Jeanshose mit Gürtel spannt, weißem Hemd, Cowboyhut und fetter Zigarre im Mund flaniert er über die Kreuzung. Daneben läuft die stolze Gattin: hager, mit lilafarbenem Frottee-Jogginganzug und rausgewachsener Dauerwelle. Auf der anderen Seite treffen sie einen aufgedunsenen Mulatten mit ollem T-Shirt und Schnellfickerhose, mit dem sie ein gepflegtes Schwätzchen halten.

Der Alternativträger: Ein Mann Mitte bis Ende dreißig läuft vorbei. Er hat zerzauselte dunkle Haare, trägt ein weißes T-Shirt, ausgebeulte Jeans, und über der Schulter einen Einkaufsbeutel aus Baumwolle, in dem sein schlafendes ca. 6 Jahre altes Kind steckt, dessen Kopf oben schief herausbaumelt.

Die Partnerlooker: Zwei Schwule im Scooter Look, mit blondierten kurzen Haaren, enger schwarzer Glanzhose und reingestecktem engen T-Shirt, auf dem Weg zum Supermarkt. Sie laufen im Abstand von 2 m hintereinander. Einer raucht auf, wirft den Zigarettenstummel weg und geht rein. Der Andere bleibt noch vor dem Eingang stehen um aufzurauchen, wirft zwei Minuten später den Zigarettenstummel weg und geht hinterher. Nach zehn Minuten kommen beide zusammen wieder heraus und machen sich einträchtig nebeneinander gehend auf den Weg nach Hause

Die Diva im Discounter: Groß und schlank kommt sie auf einem schwarzen Hollandfahrrad angefahren im kurzen engen Ringelkleid, High Heels, edler Hochsteckfrisur. Sie ist sorgfältig geschminkt und über ihrem Arm hängt ein schickes kleines Handtäschchen. Sie steigt ab, schließt mit eleganten Bewegungen ihr Fahrrad an und betritt den Lidl.

Der Übernächtigte: Ein kühler Samstagmorgen. Der junge Mann sitzt allein draußen vor einem Café. Vor ihm stehen eine Tasse Kaffee, ein großes Glas Wasser und ein Aschenbecher. In der einen Hand hält er eine Zigarette, an der er hin und wieder zieht, in die andere Hand hat er den Kopf gestützt und ist immer kurz davor einzunicken. Es scheint eine lange Nacht gewesen zu sein.

Der Ex-Rockstar: Im Winter trägt er stets hautenge lange Jeans, im Sommer eine kurz unter dem Hintern abgeschnittene Jeanshose. Die Haare sind lang, dunkel gefärbt und ausgefranst. Das Gesicht ist faltig, zerfurcht und verbraucht. Dennoch kennt sein Selbstbewusstsein keine Grenzen. Er stolziert durch die Straßen und grinst die vorbeigehenden Frauen mit junggebliebenem Charme an.

Der Pfeif-Opi: Er sitzt immer auf dem Balkon seines Zimmers im Altersheim oder schaut aus dem Flurfenster, das auf die Straße zeigt. Wenn er auf der Straße unterwegs ist, trägt er meistens eine schlabberige dunkelblaue Jogginghose und eine alte Biker-Jacke. Kommt eine einigermaßen attraktive junge Dame vorbei, pfeift er ihr hinterher. Gelingt es ihm, ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen, lacht und winkt er und fängt an, irgendetwas vor sich hin zu brabbeln.

Ich weiß, dass das Ganze mit Fotos anschaulicher wäre. Leider bin ich kameralos und so ist eure Phantasie gefragt.

Nachtrag: Nach Rücksprache mit dem Opa im Fenster will ich noch ergänzen. Es handelte sich dieses Mal nicht um einen Kategorisierungsbeitrag, sondern um reale Personen, die mir so wie geschildert über den Weg gelaufen sind.

Unter Amüsement

Eine Antwort

  1. Opa im Fenster

    Leider kenne ich keinen der beschriebenen Typen. Allenfalls der aus dem Fenster schauende Opi mit Kissen unter den verschränkten Armen kommt mir bekannt vor (dieser ist in meiner Erfahrung jedoch in der Regel stiller Beobachter). Wie auch immer, es erscheint mir auf diesem Blog eine Tendenz zu aberwitzigen „Erklär-mir-die-Welt mit einfachen Schemata“-Beiträgen zu geben, über die ich einfach nicht lachen kann. In der Regel finden solche Beiträge ihren Platz in Frauenzeitschriften oder sonstigen Lifestyle-Mags. Die Welt draußen ist doch wesentlich dreidimensionaler und ich denke das wisst ihr auch. Wozu und für wen also diese Art von Humor?