Auf der Zunge zergangen
Bislang hielt ich es für ein Ammenmärchen, dass ein Stück Fleisch so zart sein kann, dass es förmlich auf der Zunge zergeht. Doch – oh Wunder – ich wurde eines besseren belehrt.
Wir hatten uns einen freien Abend organisiert und wollten irgendwo in der Nähe lecker essen gehen. Da mein Begleiter Lust auf Steak hatte, beschlossen wir, das relativ neue Bio-Steakhaus in der Biomeile Schönhauser Allee aufzusuchen. Zugegeben, der Name ist etwas speziell: Steaksandfriends (das Steak, dein Freund? Wahrscheinlich soll es implizieren, dass man dort Steak essen und seine Freunde treffen kann. Na ja). Wir hatten einen Tisch bestellt, da es am Vorabend relativ voll schien. Das wäre jedoch an diesem Samstag Abend nicht nötig gewesen. Das Restaurant war etwa zur Hälfte besetzt. An der Tür kam uns ein geschniegelter Herr entgegen, der uns die Jacken abnahm und zum Tisch geleitete.
Foto: laktosen
Das Licht war gedämpft, mit einzelnen Spots und Kerzen auf jedem Tisch. Die Inneneinrichtung war für meinen Geschmack jedoch etwas kühl, lieblos und unpersönlich, die Musik einen Tick zu laut und aufdringlich. Doch nun Schluß mit dem Herumgenörgel, schließlich muss ein Restaurant vor allem dem Magen gefallen.
Es gab eine Tageskarte mit saisonalen Spezialitäten und eine normale Abendkarte mit Steaks und Burgern. Wir entschieden uns beide für Steak aus der normalen Abendkarte, ich für Filet – mein Begleiter für ein Rumpsteak. Dazu konnte man aus verschiedenen Saucen, Gemüsen, Kartoffelbeilagen und Salaten wählen. Zu meinem Filetsteak nahm ich Champignons, Kartoffelspalten Wedges (sorry, das Wort Kartoffelspalten erweckt bei mir immer pornographischen Assoziationen) und Rotweinsauce. Mein Begleiter aß sein Rumsteak mit einem kleinen Töpfchen Coleslaw (Kohl/Krautsalat mit cremigem Dressing) , Pommes und Whiskysauce. Dazu tranken wir Rotwein und Mineralwasser. Das Wasser war von Spreequell, was mir gut gefiel: ich unterstütze gerne die regionale Industrie. Als Vorspeise teilten wir uns Bruscetta, als Nachtisch Vanilleeis mit Erdbeeren in Minzsauce.
Die Beilagen waren frisch und gut, die Wedges riesig, die Saußen hervorragend. Der Höhepunkt war jedoch ohne Frage das Fleisch. Das machte sich schon beim Abschneiden der Fleischbissen bemerkbar: statt des üblichen Herumsäbelns glitt das Messer glatt und zackig hindurch. Und wie bereits vorweggenommen: im Mund zerschmolz es förmlich auf der Zunge…mmh, lecker.
Der Service war ambitioniert, schnell und aufmerksam. Ohne dass wir etwas sagen mussten, kam ein Ober auf die Idee, dass die Beleuchtung unseres Tisches zu hell sein könnte und schlug uns vor, die Spots über unserem Tisch zu dimmen. Nur der geschniegelte „Türsteher“ schien nicht daran zu denken, dass es an einem frischen Abend kühl hereinzieht, wenn er für längere Zeit in der offenen Tür steht und nach Kundschaft Ausschau hält.
Die Preise sind, kurz gesagt: auf Bioniveau. Der Abend kostete uns ca. 85 € ohne Trinkgeld. Ein Steak ist im Durchschnitt für 20 bis 25 Euro zu haben, die dazugehörigen Beilagen gibt es ab fünf Euro aufwärts.
Mein Gesamtfazit: wegen des Fleischs lohnt sich ein Besuch. Das Restaurant scheint jedoch noch nicht in seiner Nische angekommen zu sein: Preise und Bedienung sind auf einem höheren Niveau, als Einrichtung und Atmosphäre. Mit ein bisschen mehr Liebe und Individualität bei der Ausstattung hätte es Potential als ein Ort, an dem man regelmäßig Freunde trifft und Steak isst.
Steaks&Friends, Schönhauser Allee 10-11, 10119 Berlin (zwischen U Rosa-Luxemburg-Platz und U Senefelderplatz)
Nachtrag: wir waren wohl nicht die einzigen, die das Konzept nicht ganz stimmig fanden: nach nur wenigen Monaten Betrieb wurde das Restaurant geschlossen.
Unter Genuss