Anders gedacht
Ich habe in den Weihnachtsferien den vor wenigen Jahren verstorbenen ägyptischen Schriftsteller Nagib Mahfuz für mich entdeckt. Zufällig habe ich ein wenig in seinem -wie ich hinterher erfahren habe- umstrittensten Werk „Die Kinder unseres Viertels“ gelesen, das sich mit der Geschichte der Menschheit und den Weltreligionen beschäftigt. Die bildreiche, märchenhafte und interessante Erzählweise haben mich dazu veranlasst, noch in einen weiteren Roman von ihm, „Das Hausboot am Nil“, hineinzuschauen. Und ich war überrascht. In der aktuellen Debatte über radikalislamische Milizen, Selbstmordattentate und Todesstrafen für Andersdenkende, vergisst man schnell, dass es in der islamischen Welt auch liberale Menschen gibt. Mahfuz portraitiert in seinem Roman, offen über Politik, Religion und Beziehungen philosophierende, Haschisch rauchende und Alkohol trinkende intellektuelle Persönlichkeiten. Frauen, die entscheiden, ob und wann sie sich einem Mann hingeben. Und das Miteinander liberaler Muslime und Strenggläubiger. Auch wegen dieser Inhalte war Herr Mahfuz bei Letzteren nicht sehr beliebt und überlebte nur knapp einen gegen ihn gerichteten Messerangriff.
Foto: Tom Murphy VII
Wenn ich solche Dinge erfahre, wird mir immer wieder deutlich, wie gefährlich fanatische Anhänger einer Religion sind. Gefährlich nicht nur für das Leben anders Denkender, sondern auch für die Kultur und damit die gesamte Gesellschaft. Wie engstirnig ist es doch, starrköpfig auf die Verwirklichung der eigenen Ideale zu pochen, ohne an die wertvollen Dinge zu denken, die dabei rechts und links herunterfallen. Denn eine unilaterale Gesellschaft kann keine Kreativität, geschweige denn hochwertige Kunst und Literatur hervorbringen.
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