Feierabend
Ich habe mich mit einigen Künstlern aus meinem Bekanntenkreis unterhalten und alle haben von einem Phänomen berichtet: als Schauspieler oder Musiker wird man von vielen anderen Menschen als Allgemeingut betrachtet.
Sie realisieren zum einen nicht, dass es sich auch dabei um Berufe handelt und die Person auf der Bühne nichts mit der realen Person zu tun hat, sondern nur ein bestimmtes Image verkörpert oder die entsprechende Bühnenfigur dargestellt wird. Ist in das Bühnenstück ein Flirt der Schauspielerin mit einem Herrn aus dem Publikum eingebaut, ist es völlig unangebracht, wenn er nach der Vorstellung auf sie wartet, um ihr ein Ausgehangebot zu unterbreiten. Denn die Schauspielerin ist nicht wirklich an ihm interessiert. Sie spielt die Szene jeden Abend, sechs Tage pro Woche – immer mit einem anderen Zuschauer. Die Auswahl des Glücklichen erfolgt auch nicht nach Attraktivitätsgesichtspunkten, sondern nach Sitzplatz.
Zum anderen erwarten einige Menschen, dass die Künstler auch in ihrer Freizeit immer für ihre Fans da sind. Es kommen Bittschreiben, jemanden im Krankenhaus zu besuchen, zur Geburtstagsfeier oder zur Hochzeit zu kommen – denn derjenige sei der größte Fan des Künstlers und würde sich unglaublich freuen. Vielen ist dabei nicht klar, dass sie völlig fremde Menschen für ihn sind und ihn außerhalb ihrer Funktion als Fan nicht interessieren. Genausogut könnte er in ein Krankenhaus gehen und nach dem Zufallsprinzip irgendjemanden besuchen. Zudem gibt es für den Künstler auch außerhalb von Konzerten oder Auftritten Dinge zu tun, sowohl beruflich, als auch privat. Es wäre ein immenser zeitlicher und finanzieller Aufwand, jedem Anliegen nachzukommen. Fans sind durchaus wichtig für ihn, würde er aber jedem Einzelnen die Wünsche von den Augen ablesen, wäre die Relation von Aufwand und Nutzen gesprengt.
Autogrammwünsche und Fotos nach den Veranstaltungen gehören zum Beruf dazu – es sollte jedoch nicht soweit gehen, dass dem Künstler dann noch ins Hotel oder nach Hause gefolgt wird. Denn wie jeder andere arbeitende Mensch, will auch er seinen Feierabend haben um endlich die Maske ablegen zu können und er selbst zu sein.
Bild: Flauberto
Unter Allgemein
27.8.2007 um 18:58
Also im Sinne von „Allgemeingut“ kann ich da schon zustimmen; aber ist es nicht auch so, dass die Künstler von den Zuschauern leben und umgekehrt? Das bedingt doch eine ganz besondere Form der Bindung, deren Grenzen vielleicht manchmal verschwimmen.