Hinter schwedischen Gardinen I
Das Schöne an der Strafrechtsstation im Referendariat ist, dass man Orte sieht, die einem sonst nicht ohne weiteres zugänglich sind – wenn man nicht gerade strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Der eisigen Kälte trotzend, durften wir uns vor einigen Tagen nach Tegel begeben, in die Stadt in der Stadt: 1530 Insassen, 6 Gebäudekomplexe. Die größte Justizvollzugsanstalt Deutschlands.
Foto: stockers9
Am Eingang hieß es: Perso abgeben und eintauschen gegen einen Besucherausweis, eine dicke Pappkarte, die so aussah, als würde sie schon seit Jahrzehnten zu diesem Zweck verwendet werden. Und die dringende Ermahnung, insbesondere an meine männlichen Kollegen, diese wie den eigenen Augapfel zu hüten. Denn wer die Karte am Ausgang nicht wieder abgeben kann, bleibt erst einmal im Gefängnis. Gepäck und Handy mussten draußen bleiben. Flugs durch die Sicherheitsschleuse durch. Und schon waren wir drin. Zunächst ging es in ein altes Backsteingebäude, in dem die Männer untergebracht sind, die eine Freiheitsstrafe von unter fünf Jahren abzusitzen haben und die nicht bereit oder in der Lage sind, an speziellen Resozialisierungsmaßnahmen teilzunehmen. Die „Standardknackis“. Da bis 15 Uhr die Zellen verschlossen bleiben, waren nur diejenigen Gefangenen im Gebäude unterwegs, die eine Arbeitsstelle hatten und die Zelle deswegen verlassen durften. Wir beäugten uns gegenseitig. Wir konnten uns mal richtige Strafgefangene anschauen und die Insassen hatten das Vergnügen, sich echte Frauen und andere komische Juristen auf die Netzhaut zu projezieren. Ich würde sagen, es war Zoo auf beiden Seiten. Es war sehr faszinierend zu sehen, dass die mittleren und Kleinkriminellen wesentlich krimineller aussahen, als die Lebenslänglichen: Tätowierungen im Gesicht, gelbe verfaulte Zähne, hageres Äußeres, harter Blick, agressives Verhalten untereinander: das begegnete uns nur in diesem Haus. Das Haus als solches: drei Etagen, verbunden durch lange Metalltreppen, viele abgeschlossene Türen, ein Wachhäuschen in der Mitte, lange Gänge mit aneinandergereihten verschlossenen Zellentüren, schwarze Bretter mit akuellen Infos für die Gefangenen. Das Hereinlugen in eine offene Zellentür offenbarte: ein schmales Stück Raum, ein Bett, ein Fernseher, ein paar Möbel, Toilette im Zimmer. Apropos Fernseher: die Lieblingssendungen der Insassen sollen Richter Alexander Holdt und Barbara Salesch sein. Schön, wie sich die Katze in den Schwanz beißt.
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