Nerds

25.6.2008 von oliver

„Was ist eigentlich ein Nerd?“ wurde ein Bekannter von mir vor kurzem von einer Freundin gefragt. Der antwortete daraufhin: „Das ist so jemand wie der Martin.“ Und dann war wohl alles klar. Auch wenn Martin sich dadurch ungerecht behandelt fühlte und er bei näherem Hinschauen sicherlich nicht ein Prototyp für Nerds ist, hat er oberflächlich gesehen die entsprechenden Eigenschaften: Er interessiert sich für komplizierte technische Dinge, von denen die meisten Menschen nichts verstehen. Er verbringt viel Zeit damit, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Er wirft mit kryptischen Begriffen und Akronymen um sich. Er trägt eine Brille, hat leichte Geheimratsecken und (fast) einen Vollbart. Er hat seit vielen Jahren keine Freundin gehabt. Und: Er ist Informatiker.

Nerd
Foto: Sbrimbillina

In einer privaten, nicht unbedingt repräsentativen Umfrage wollte ich herausfinden, was eine gute deutsche Übersetzung für „Nerd“ sein könnte. Denn die offiziellen Übersetzungen passten im täglichen Sprachgebrauch nicht richtig: Fachidiot – zu speziell, Langweiler – nur ein Teilaspekt, Schwachkopf – zu generelles Schimpfwort, Sonderling – könnte auch auf nicht-Nerds passen, Streber – das könnte auch die übereifrige Schulsprecherin sein, ohne dass sie sich für Technik interessiert. „Computerfreak“ kommt „Nerd“ noch am nächsten. Und tatsächlich, meine Befragten nutzen das Wort „Informatiker“ am häufigsten im selben Zusammenhang.

Ich bin natürlich ein bisschen eingeschnappt, denn ich bin selbst Informatiker. Und gleichzeitig noch nie meines Wissens als ein solcher (bzw. als „Nerd“) bezeichnet worden. („Geek“ ja, aber das ist etwas Anderes.) Das liegt vielleicht aber auch daran, dass ich mein Informatiker-Dasein nicht so sehr nach außen trage und mindestens genau so viel andere Dinge tue. Zum Beispiel Musik, die letzten zwei Jahre sogar Vollzeit. Wenn ich auf einer Party also gefragt werde: „Was machst du denn so?“ Dann kann ich mir aussuchen, ob ich antworte: „Ich bin Informatiker.“ (Also Nerd, langweilig.) Oder: „Ich bin Musiker.“ (Also cool, spontan, interessant.) Bei Letzterem bleibt das Gespräch meist erhalten.

Meine Beobachtung ist allerdings, dass es in allen möglichen Bereichen Nerds gibt. Und ich spreche hier nicht von Physikern oder Elektrotechnikern. Sondern selbst in der Musik. Manch ein Schlagzeuger kann sich stundenlang über Fußmaschinen, Felle, Hihat-Größen und Signature-Sticks unterhalten. Wer auf eine gut besuchte Jazz Jam Session geht, wird feststellen, dass die Musiker selbst aussehen wie Informatiker. Aber nicht nur das. Ich war vor kurzem zum ersten Mal in einer Freeclimbing-Anlage und musste feststellen, dass es auch dort Leute gibt, die ohne Ende über Equipment und Techniken fachsimpeln können. In Berlin wird man ohne Probleme Muttergruppen treffen, die den ganzen Tag über Kinder-Yoga, Baby-Physiotherapeuten, Pekip-Gruppen, Bioernährung und Stilltechniken fachsimpeln können.

Nerds. Es gibt sie überall.

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