Puffer ist dein Freund

15.10.2007 von oliver

Ich kenne Menschen, die permanent pleite sind. Und das nicht einmal, weil sie wenig Geld verdienen. Auch nicht, weil sie einen extravaganten Lebensstil führen. Denn ich kenne dagegen auch Menschen, die deutlich weniger verdienen, dabei dennoch in größeren Wohnungen leben, fast jeden Tag im Restaurant essen gehen, und dennoch bleibt bei diesen Leuten noch etwas übrig für den gelegentlichen Luxus. Weil mich dieser Unterschied interessiert, habe ich da mal genauer hingeschaut.

Leere Taschen
Foto: Playboy

Vielleicht lässt sich der Unterschied ganz leicht auf die Kenntnis eines Konzepts zurückführen: der Puffer (der ausnahmsweise nicht aus Kartoffeln besteht). Ein Puffer ist die Menge einer Sache, die man für Unvorhersehbares zurücklegt. Unvorhersehbares könnten bei Geld zum Beispiel Ausgaben für Medikamente gegen eine plötzliche Krankheit sein, die Gebühr für einen Personalausweis, der gestohlen wurde oder auch Erfreulicheres wie etwa die plötzliche Gelegenheit, eine tolle Reise mit den besten Freunden anzutreten. In meiner Beobachtung gehen diejenigen, die fast immer pleite sind, davon aus, dass in ihrem unmittelbaren Leben nichts Unvorhersehbares eintreten wird. Die logische Konsequenz muss also sein: Habe ich Geld, kann ich es ausgeben. Ich habe einen Freund aus Geldmangel geradezu hungern sehen, obwohl er sich in der Woche zuvor eine Sonnenbrille um die 120 EUR gekauft hat (um sie übrigens zwei Monate später auf einem Tisch in einer Bar liegen zu lassen). Hunger schien er nicht eingeplant zu haben.

In einer privaten (und sehr wahrscheinlich nicht repräsentativen) Umfrage habe ich Freunden die Frage gestellt, ab welchem Kontostand sie das ernsthafte Sparen beginnen. Die häufigste Antwort war -500 EUR, das Limit ihres Dispositionskredits. Einige waren so schlau, ihren Dispo auf 0 EUR zu setzen, womit ihr persönlicher Grenzwert auf 0 EUR rückte. Von allen Befragten gab es nur einen, der einen positiven Wert angab: 10.000 EUR. Rückt sein Kontostand in den vierstelligen Bereich, fängt er an zu sparen. (Die 10.000 EUR hat er irgendwann von seinen Eltern bekommen und möchte sie nicht sinnlos ausgeben.) Ich habe diesen Menschen noch nie pleite gesehen. Im Gegenteil, er fährt momentan sogar zwei volle Gehälter ein.

Wahrscheinlich liegt es an meiner Herkunft aus dem Schwabenland, dass ich nur äußerst selten meinen Kontostand ansehe und stattdessen zwei Grundsätzen folge: Minimiere Ausgaben, maximiere Einnahmen. Gilt „Einnahmen größer Ausgaben“, so müsste es immer einen Puffer geben. Die Überprüfung des Kontostands („Wieviel Geld habe ich eigentlich?“) gilt lediglich der Versicherung, dass diese Ungleichung noch stimmt. (Achtung: Eine solche Einstellung ist nicht förderlich für unsere Wirtschaft, denn die lebt davon, dass Menschen Dinge kaufen, die sie nicht brauchen.)

Interessanterweise habe ich mit der Zeit festgestellt, dass sich dieses Konzept auch auf ganz viele andere Lebensbereiche übertragen lässt. Vor der letzten Prüfung zum Abitur unterhielt ich mich mit zwei Mitschülern, die sich exakt ausgerechnet hatten, wieviele Punkte sie in dieser einen letzten Prüfung brauchten, um das Abitur gerade noch so zu bestehen. Sie hatten exakt auf diese Punktzahl hin gelernt. Beide haben natürlich nicht bestanden. Es fehlte der Puffer, eine schlechtere Punktezahl war nicht eingeplant. Ein anderes Beispiel: Bei meinem letzten Arbeitgeber sollte ich ein Projekt leiten. Ich hatte zuvor beobachtet, wie in anderen Projekten immer von einem reibungslosen Projektablauf ausgegangen wurde. Diese Projekte endeten alle weit über der geplanten Zeit. Der Schlüssel zur planmäßigen Fertigstellung meines Projekts war das Einbauen von Puffern (aus Zeit) unter der Annahme, dass Unvorhersehbares eintreten wird. Das klingt einfach, war es aber nicht. Denn hier kommt die Schwierigkeit an der ganzen Sache: Puffer lassen sich nur äußerst schwer rechtfertigen. Denn wie soll man denn für ein Ereignis zurücklegen, das man noch gar nicht kennt beziehungsweise dessen Eintritt sich bestreiten lässt?

Chefs verstehen so etwas kaum. Man tut also gut daran, keine große Sache aus diesen Puffern zu machen. Auch bei den privaten Finanzen hilft es manchmal der eigenen Psyche, diese Puffer auf verschiedene Konten, in unterschiedliche Anlagemethoden oder sogar diverse Jackentaschen zu verteilen. Und wie der folgende Artikel über arme Lottogewinner zeigt, ist es besser, bei großen Puffern andere nichts davon wissen zu lassen:

Geschichten über verschuldete Lottogewinner (Englisch)

(Disclaimer: Ich habe nicht im Lotto gewonnen.)

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